IT-Organisation: Wie man die Fachkräfte-Lücke erfolgreich schliesst

In der Schweiz gibt es immer mehr offene Stellen für IT-Fachkräfte, die nicht besetzt werden können. Unternehmen, die Schlüsselpositionen und attraktive Konditionen anbieten, sind weniger betroffen.

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Für Schnellleser – das wichtigste in Kürze

  • Die höchste Quote an offenen Stellen hat die Berufsgruppe der Informatikerinnen und Informatiker. 
  • Viele Standard-Dienstleistungen könnten an spezialisierte Schweizer Unternehmen ausgelagert werden. 
  • Hochqualifizierte Fachkräfte erwarten attraktive Anstellungsbedingungen und eine moderne Arbeitsumgebung.  

Der Fachkräftemangel ist zurzeit die grösste Sorge in Schweizer Unternehmen. In der aktuellen «Swiss Business Pulse»-Befragung» rangiert er mit je 24 Prozent sowohl beim Management wie auch beim Top-Management mit Abstand an erster Stelle.  

IT-Fachkräfte: viele offene Stellen

Immer mehr vom Kräftemangel betroffen, ist die IT-Organisation-Branche, wie ein Blick auf die Entwicklung der offenen Stellen im Bereich «Informationstechnologie und Informationsdienstleistungen» zeigt. Die Entwicklung zeigt sich deutlich in den letzten zehn Jahren.

Informationstechnologie und -dienstleistungen: Entwicklung Anzahl offene Stellen (in 1000)

It-Organisation seit 2011 nimmt der Anteil an fehlenden Stellen in der IT zu – und Besserung scheint kaum in Sicht.

Seit 10 Jahren steigen in Unternehmen die Stellen an, die nicht mit IT-Fachkräften besetzt werden können.

Besorgniserregend ist nicht nur der kontinuierliche Anstieg: Vier von hundert Stellen können zurzeit nicht besetzt werden, während die Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten stark zurückgegangen ist. Laut aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik ist das die mit Abstand höchste Quote aller Berufsgruppen. Warum ist das so? 

«Der Bedarf an IT-Fachkräften steigt rasant, viel schneller als das Ausbildungsangebot», sagt Heinz Brägger, Geschäftsführer des Schweizer Beratungsunternehmens Leverage Experts und einer der Initiatoren des «Swiss Business Pulse». «Ältere Informatiker werden durch die neuen Technologien zunehmend abgehängt, während insbesondere bei der universitären Ausbildung das Ausbildungsangebot zu knapp ist».

Ein weiterer Grund für den akuten Fachkräftemangel ist der sprunghafte Anstieg von Digitalisierungsprojekten über alle Branchen hinweg. Zum Teil ist dieser Trend auf sich ändernde Prozesse durch die Pandemie zurückzuführen. Im Zuge der Digitalisierung von Unternehmen aller Branchen sind die Gehälter für Tech-Talente auf ein Niveau gestiegen, mit dem nur wenige Arbeitgeber mithalten können. 

Einsatz von Standard-Software und Outsourcing 

Dass vor allem hochqualifizierte Informatikerinnen und Informatiker gesucht werden, hat seinen Grund: «Viele Unternehmen können die Digitalisierung mit Standard-Software umsetzen, und auch der Betrieb einer eigenen Server-Infrastruktur ist ausserhalb des Bankensektors meist unnötig», sagt Brägger. Ausserdem würden Programmierarbeiten oft an Partner im Ausland outgesourct, das sei schon aufgrund der hohen Lohnkosten in der Schweiz attraktiv.  

«Worauf man hingegen nicht verzichten kann, sind Fachkräfte, die das Business verstehen und Erfahrung in der Applikationsentwicklung haben». Und die zu finden, sei nicht einfach. Oft fehle den Studienabgängern die Berufserfahrung, die in einer solchen Position entscheidend ist.  

Die IT-Organisation kann auf Fachkräfte nicht verzichten, die das Business verstehen und Applikationen entwickeln können.

Heinz Brägger über den Flaschenhals in der digitalen Transformation von Unternehmen.

Darunter leide nicht nur die IT-Branche als solche, da IT mittlerweile in praktisch allen Betrieben eine Querschnittsfunktion habe. Aber es gibt Ausnahmen: «Banken, Versicherungen und die Pharmaindustrie haben ein anderes Verständnis für die Kosten von IT-Projekten und finden dank attraktiver Saläre in der Regel die Fachkräfte, die sie benötigen», sagt Brägger.

Strategien wider den Fachkräftemangel 

Für alle anderen Branchen gibt es zurzeit wenig Hoffnung, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt rasch entspannt. Heinz Brägger hat aber eine ganze Reihe von Tipps, die Unternehmen helfen, trotz Fachkräftemangel ihre IT-Organisation so aufzustellen, das anstehende Digitalisierungsprojekte durchgeführt werden können:  

  • Für viele Projekte kann man Standard-Produkte einsetzen und auf Eigenentwicklungen verzichten.  
  • Die IT-Infrastruktur und der Sicherheitsteil können problemlos ausgelagert werden. Es gibt bewährte Schweizer Lösungen, auf die man zugreifen kann.  
  • Für den Betrieb der IT-Organisation vor Ort braucht es in der Regel keine hochqualifizierten Experten mit universitärem Abschluss. Hier kommen Mitarbeitende mit einer abgeschlossene Informatiklehre und Berufserfahrung zum Einsatz.  
  • Für eine erfolgreiche digitale Transformation unverzichtbar ist die Position des Chief Digital Officers (CDO) in der Führungsebene des Unternehmens. Sie oder er steuern die Prozesse, entwickeln die grundlegende Digitalisierungsstrategie, treiben die Umsetzung innerhalb der bestehenden Strukturen voran und koordinieren die externen Partner.  
  • Wer flexible Arbeitszeitmodelle, eine gute Ausbildungsumgebung und attraktive Arbeitsplätze anbietet, findet auch heute die nötigen Fachkräfte. Firmen wie Google machen es vor. 

Mehr Frauen im Informatikstudium

Damit sich die Situation längerfristig entspannen kann, sind Politik und Wirtschaft gefordert. «Die universitäre Ausbildung müsste noch massiv ausgebaut werden, wenn man nicht vom Ausland abhängig sein will», sagt Brägger.

Viel Potential sieht er auch bei der Steigerung der Attraktivität des Informatikstudiums für Frauen: «Es gibt immer noch sehr wenig Entwicklerinnen. Frauen sind in vielen MINT-Berufen nach wie vor untervertreten. Es ist längst anerkannt, dass der Fachkräftemangel entschärft werden könne, wenn mehr Frauen diese Berufe ausüben würden. Das wäre ein wichtiger Ressourcen-Pool.»

Hier sei die IT-Branche gefragt, mit neuen Modellen und Möglichkeiten, die Attraktivität des Berufes zu steigern.  

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